Tinder-Date Nr. 50, Teil 13: Der Moment der Erkenntnis

Die letzte Woche über ist Nr. 50 krank. Starke Anzeichen einer ganz schlimmen Männer-Grippe. Ich bemitleide ihn ein bisschen per WhatsApp und wünsche ihm eine gute Besserung. Ich höre dann nichts mehr von ihm die Woche über, wundere mich aber nicht, da er ja nun mal krank ist. Am Freitag frag ich morgens mal nach, ob er überlebt hat. Und ob er am Abend was mit mir machen möchte. Ja, es geht ihm wieder gut, schreibt er. Am Abend macht er was mit Max. Punkt. Ende der Nachricht. Kein „Wollen wir uns dafür Samstag sehen?“. Kein „Was machst du sonst so am Wochenende?“. Kein Bedauern. Und das ist er. Noch nicht der Moment, der das Ende bedeutet. Das hier ist der Moment, in dem es mir langsam dämmert. Dass es ein Ende geben wird. Und ja: Ihr wusstet das vermutlich schon lange. Und würde ich als Außenstehende irgendwo diese Geschichte lesen über Nr. 50 und dieses naive Ding, dann wüsste ich es vermutlich auch schon längst. Aber diese sachliche Distanz zur Story fehlt mir halt naturgemäß. Das ist von außen wohl einfacher, klarer und vor allem rationaler einsehbar. Und ja, ich hab mir da zuletzt wohl was vorgemacht und wollte nicht sehen, was allzu offensichtlich war. Aber so ist das halt, wenn man Gefühle hat und Hoffnungen.

Nun ja, in diesem Moment dämmert es mir. Zunächst. Eine ganze Weile sogar scheint es immer klarer zu werden. Auf seine Info zum Freitag Abend und zu Max antworte ich nur „Alles klar“. Denn exakt so fühle ich mich in dem Moment. Alles. Klar. Verstehe. Alles. Er liest die Nachricht. Antwortet nicht. Ja darauf ist keine Antwort nötig. Ich frag mich dann, ob das wohl schon das Ende ist. „Und sie hörte nie mehr wieder ein Wort von ihm.“ Ich denk mir so, dass das aber ein arg unspektakuläres Ende wär. Gar nicht so aufregend für den Blog. Andererseits wär das so richtiger Tinder-Style. Wär ja irgendwie auch lässig. Aber nein, auch das ist noch nicht der Moment, der das Ende bedeutet.

Denn drei Stunden später schreibt er plötzlich wieder. Dass er dem Max bei seinem Umzug hilft. Aha. Ok. Denk ich mir. Warum erzählst mir das jetzt? Hab ich nicht danach gefragt. Ich schreib irgendein Blabla zurück zum Thema Umzüge. Wir schreiben im Lauf des Abends ein paar Nachrichten hin und her. Und das sind dann die Momente, in denen ich doch wieder zweifle. Ob ich nicht viel zu viel reininterpretiere. In alles Mögliche. Aber naja. Auf jeden Fall erfahre ich dabei, dass er nicht nur am Freitag dem Max hilft bei seinem Umzug, sondern auch am Sonntag. Der ist da für seine Freunde, der Nr. 50. Das ist toll! Für mich hingegen ist er nicht da. Er fragt noch nicht mal, wann ich Zeit hätte. Er ist nur am Wochenende in der Stadt. Er hat Freitag und Sonntag von vornherein verplant. Und fragt mich gar nicht, ob ich Samstag Zeit hätte. Eigentlich egal, denn hätte er gefragt, dann wüsste er, dass ich Samstag sowieso unterwegs bin.

Und dann gibt es einen zweiten Moment, in dem mir etwas anderes dämmert. Nämlich dass ich jetzt doch mit ihm reden muss. Weil ich nicht mehr mag. Weil ich jetzt doch mal wissen muss, was Sache ist mit ihm. Weil ich nicht länger Rätselraten will. Weil ich nicht mehr interpretieren und analysieren will. Sondern wissen will. Und da beschließe ich, dass ich das vorziehen muss. Das Gespräch. The Talk. Angedacht hatte ich das ja irgendwie so ein bisschen für nächstes Wochenende. Das Gespräch. Der Grund dafür ist einfach: Ich wusste die ganze Zeit schon, dass ich in diesen beiden Woche aus beruflichen und privaten Gründen zeitlich total eingespannt sein würde. In diesen Wochen wäre ich so ganz hypothetisch sowieso nicht zum Daten gekommen, egal ob das mit Nr. 50 erledigt ist oder nicht. Also dachte ich mir so, dass ich das mit dem Gespräch auch gut bis ans Ende dieser heißen Phase schieben könnte. Weil davor eh nix anderes ginge. Aber in einem der Momente, in denen mir irgendwas dämmert, beschließe ich, dass ich nicht mehr länger warten will. Weil ich das den armen Lesern dieses Blogs echt nicht mehr zumuten kann. Diese ganzen Spekulationen und Vermutungen. Aber vor allem mir selbst will ich das nicht mehr zumuten. Das treibt mich dann doch zunehmend in den Wahnsinn. Und das muss ja nun irgendwie nicht sein. Ich werd das also ansprechen, wenn wir uns das nächste Mal sehen, beschließe ich am Freitag. Hoffentlich noch an diesem Wochenende, denk ich mir so.

Dann kommt der Samstag. Da bin ich den ganzen Tag bei meinem Bruder. Um die Mittagszeit schreibt Nr. 50, ob ich mit ihm zu Mittag essen möchte. Na das wird ja nun nix. Ich zeig ihm mal, wie man in einem solchen Fall geschmeidig reagiert und frage nach, ob wir stattdessen vielleicht am Sonntag was machen wollen. Vor oder nach dem Umzug. Beim Umzug muss er schon um elf antanzen, schreibt er, also klappt’s davor auf jeden Fall nicht. Wie lange es geht, kann er nicht abschätzen. Ich überlege kurz, ob das jetzt wieder klingt als hätte er eh keine Lust. Aber wenn ich Freunden beim Umzug helfe, würde ich die auch nicht hängen lassen. Mit seiner Ansage bin ich in diesem Fall also cool. Ich schreibe ihm, dass wir ja mal schauen können, ob es danach zeitlich noch klappt. Ja top, er sagt mir Bescheid, schreibt er.

Dann ist Sonntag. Nachdem ich Samstag den ganzen Tag unterwegs war, ist ausnahmsweise heute Putztag. Und Chilltag. Ich hab also prinzipiell kein Problem damit, dass wir so vage verblieben sind. So ein bisschen warte ich unbewusst natürlich trotzdem darauf, von ihm was zu hören. Ob ich will oder nicht. Und irgendwann nervt es! Denn er meldet sich nicht. Nicht mal mit einem „Wir sind hier wohl noch länger beschäftigt, klappt heute nicht“ oder so. Ich hör einfach gar nix von ihm. Den ganzen verfickten Tag über! Erst spät am Abend schreibt er, dass es länger gedauert hat beim Umzug. Und damit ist es ja nun endgültig klar. Auch für mich blindes und vollkommen naives Wesen. Das wird nix mehr mit Nr. 50. Das Ende kommt unausweichlich auf mich zu. Ich könnte weiterhin mitspielen, damit würde ich es aber doch bloß hinauszögern. Das will ich nicht mehr. Ich überlege kurz, es telefonisch zu klären. Aber das ist doof, ich will persönlich drüber sprechen und auf die paar Tage kommt’s ja nun auch nicht mehr an. Vielleicht klappt es ja sogar am Feiertag. So oder so: Das Ende naht. So wirklich als „The Talk“ kann man das eigentlich eh nicht mehr bezeichnen. Weil ja eigentlich bloß noch ausgesprochen werden muss, was ohnehin schon allzu offensichtlich ist. Korb abholen. Und dann weitermachen. Das ist der Plan.