Kurzmitteilung

Tinder-Date Nr. 58, Teil 6: Ein wenig überraschendes Überraschungsdate

„Ich bin morgen um sieben bei dir. Mehr wird nicht verraten.“ So geheimnisvoll hatte Nr. 58 unser nächstes Date nach Weihnachten angekündigt. Als er da ist, fragt er, ob ich Hunger habe. Ja, habe ich. Super, dann lass uns essen gehen. Ich bin kurz verwirrt. Das war jetzt die geheimnisvoll angekündigte Überraschung? Ich muss lachen. Genaugenommen war essen zu gehen ursprünglich ja sogar mein eigener Vorschlag. Irgendwie finde ich das etwas seltsam. Also versteht mich nicht falsch: Ich erwarte nicht, dass man mich mit wahnsinnig kreativen Dates überrascht. Aber wenn man vorgibt, es tun zu wollen, und es dann doch lässt, ist das irgendwie ein klein wenig komisch.

Aber gut, was soll’s! Wir machen uns also auf den Weg und gehen ein Steak essen bei mir um die Ecke. Dabei erzählen wir uns erstmal gegenseitig von Weihnachten. Viel Zeit mit der Familie auf beiden Seiten. Er war mit seinen Eltern bei der Oma irgendwo im Osten der Republik. Wir haben beide viel zu erzählen und es ist richtig schön. Nach dem Essen frage ich, ob das jetzt wirklich alles war, das er für den Abend geplant hat. Naja, im Endeffekt schon, lacht er. Er hat sich davor mal das Programm von dem kleinen Programmkino hier um die Ecke angeschaut, aber da läuft nichts so Tolles. Wir können aber ja mal schnell vorbeilaufen und schauen, meint er.

Als wir davor stehen, muss ich ihm allerdings recht geben, die Filme klingen echt nicht so verlockend. „Juhu, dann können wir jetzt auf dein Sofa“, grinst er. „Kennst du eigentlich das andere Programmkino vorne am Sowieso-Platz?“, frage ich ebenfalls grinsend. Kennt er nicht. Muss ich ihm zeigen! Wir laufen also dorthin. Da läuft eigentlich ein ganz interessanter Film. Ich fange an, mir die Beschreibung durchzulesen. „Hier läuft ja auch überhaupt nix.“, stellt Nr. 58 da fest. Eigentlich will er viel lieber mit mir auf dem Sofa liegen und Musik hören, sagt er. Ich lache. Na gut, dann machen wir das doch.

Musik an, Bier auf, ab auf’s Sofa! Kuscheln, lachen, unterhalten. Das ist schön! Ich genieße die Zeit mit ihm. Und es ist angenehm, sich einfach mal ganz in Ruhe mit ihm unterhalten zu können. Ich erfahre wieder etwas mehr über ihn, das ist interessant. Wenn gute Musik läuft, singen wir zusammen mit. Also ich singe. Er tut etwas ähnliches, aber mit falschem Text… haha. Ich drücke ihm die Fernbedienung in die Hand und sage, er soll mal was aussuchen. Er stöbert durch die Playlists und sucht eine mit lauter Liebesschnulzen aus. „Du bist echt so ein Mädchen!“, stelle ich lachend fest während Celine Dion singt.

Wir kommen aufs Thema Bücher zu sprechen und ich erfahre, dass er liest. Ich bin fast ein bisschen überrascht. Irgendwie hätte ich ihm das gar nicht so zugetraut. Ich frage nach seinen Lieblingsbüchern. Das erste, das er nennt, gehört definitiv auch zu meinen Favoriten: „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“. Irgendwie find ich es toll, das von ihm zu hören. Das ist mal eine ganz andere Seite an ihm. Er scheint doch mehr zu sein als bloß ein unterhaltsamer Party Buddy. Er kann auch tiefgründig sein. Spannend!

Irgendein Lied mit „Millionaire“ läuft. Wir kommen auf Geld zu sprechen. Ich frag: „Wärst du gerne reich?“. Ich merke schnell, dass er in jedem Fall materialistischer eingestellt ist als ich. „Wärst du etwa nicht gerne reich?“, fragt er zurück. Natürlich gehört Geld zum Leben dazu. Und wenn man zu wenig davon hat, ist das ziemlich schlimm. Aber so viel Geld wie möglich zu verdienen, ist nun nicht mein primäres Lebensziel. Er fragt natürlich nach, was es dann ist. Schwierig zu beantworten! Glücklich sein, was auch immer das heißt. Einen Job haben, der Spaß macht statt so viel Geld wie möglich zu bringen. Menschen um mich haben, mit denen mich gegenseitige Wertschätzung und Zuneigung verbinden. Reisen unternehmen, etwas von der Welt sehen, in der Natur sein, neue Dinge entdecken und erleben.

Wir kommen aufs Reisen zu sprechen. Ich bin selbst wirklich alles andere als weitgereist und noch viel zu wenig herum gekommen. Aber Nr. 58 hat irgenwie noch überhaupt gar nichts gesehen von der Welt. „Reist du mit mir durch die Welt?“, sagt er viel zu theatralisch und lacht. „Klar, lass uns aufbrechen!“, sage ich ebenso theatralisch und wir küssen uns lachend.

Es ist insgesamt wieder sehr schön und lustig mit ihm. Er blödelt mit meiner Eichhörnchen-Wärmflasche rum, die auf dem Sofa liegt. Er tauft das Eichhörnchen „Herbert“. Und lässt Herbert mit den verschiedensten Stimmen, Sprachen und Dialekten sprechen. Ich kann gar nicht mehr aufhören zu lachen. Wenn ich Herbert jetzt auf dem Sofa sitzen sehe, höre ich ihn jedes Mal sächsisch oder spanisch mit mir reden. Nr. 58 ist kein guter Einfluss für meine Eichhörnchen!

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Herbert hieß früher einfach „Eichhörnchen-Wärmi“.

 

Nr. 58 fragt, was bei mir am nächsten Tag so ansteht und ob wir früh aufstehen müssen. Ich hab keine großen Pläne, sag ich. Kein Stress also. Erstmal ausschlafen! Was er so vor hat, frage ich. Auch nichts, antwortet er. Wobei, am Abend hat er ein Date, sagt er. Ich versteinere kurz. Also mit seinen Kumpels, sagt er im Nachsatz. Huch… achsooo. „Kommst du mit?“ „Klar!“, sag ich ganz spontan, vielleicht weil ich etwas erleichtert bin, dass es so ein harmloses Date ist… haha. Unser nächstes Treffen am nächsten Abend steht also schon fest.

Aber erstmal kommt die Nacht. Nachdem wir bis spät in die Nacht auf dem Sofa geredet, gesungen, gekuschelt (ok, und gevögelt) haben, schlafen wir am nächsten Morgen lange aus. Nach dem Guten-Morgen-Sex laufen wir in Richtung eines Einkaufscenters, das nicht weit von meiner Wohnung entfernt ist. Nr. 58 muss da nämlich etwas besorgen und ich hab begeistert beschlossen mitzukommen, weil eine meiner Lieblings-Frühstücks-Locations nebenan ist. Nach einem grandiosen Frühstück geht’s also noch eine Runde Shoppen. Auf dem Rückweg bestehe ich auf einen Umweg durch den Park zum Eichhörnchen gucken. In den Park gehe ich oft zum Laufen und sehe praktisch immer mehrere Eichhörnchen. Nicht so heute. Kein einziges lässt sich blicken. Ich glaube die Eichhörnchen sind eifersüchtig, weil ich mit einem Mann da bin… ooooch.

Zurück in meiner Wohnung deute ich mal vorsichtig an, dass ich ihn jetzt aber nicht den gesamten Tag bei mir auf dem Sofa gebrauchen kann bis heute Abend unser „Date“ mit den Freunden ansteht. Er lacht: „Keine Sorge, ich muss sowieso auch nochmal duschen und so.“ Wir einigen uns noch auf eine Folge Gilmore zum Abschied, aus der dann doch zwei werden und verabschieden uns an der Tür mit „Bis gleich“. Knapp vier Stunden später steht er wieder vor meiner Tür. Aber das wird dann ein neuer Beitrag.

 

19 Gedanken zu “Tinder-Date Nr. 58, Teil 6: Ein wenig überraschendes Überraschungsdate

  1. Magenta schreibt:

    Ich hatte wirklich, wirklich Angst, dass die Überraschung so ne fifty shades Sache sein würde. Zusammen Essen gehen ist doch super, besser als zusammen kacken. 😁

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  2. nunatak schreibt:

    Klingt nach nem echt lässigen Date. Aber täusche ich mich wenn ich leise Bedenken heraus höre, ob da mehr als entspannte und coole Dates gehen? Meine so bei den Lebenszielen, Reisen, etc?
    Lesen und Tiefgründigkeit hat sich ja schon mal positiv geklärt 😉

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    • Jo, da könntest du schon recht haben… langfristig gehört dann eben doch mehr dazu als gemeinsam feiern und Netflix auf dem Sofa gucken zu können. Bei manch anderem bin ich noch nicht so sicher. Aber ich hoffe, wir können uns einfach entspannt die Zeit nehmen, dies herauszufinden. 🙂

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  3. Hey,ich habe mich die letzten Tage fleißig durch ein paar deiner „Nummern“ durchgelesen, mitgefiebert und mitgeärgert – es wirklich unfassbar und auch etwas frustrierend, wie es heutzutage auf dem Dating.Markt vonstatten geht. Nr. 58 hört sich doch jetzt aber sehr vielversprechend und ich bin echt gespannt, wie es nun weiter ging/noch gehen wird. ich drücke dir von ganzem herzen die daumen, dass der schein nicht schon wieder trügt!

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  4. Nach einem Jahr Tindern stelle ich mir die Frage ob diese Art des Datings überhaupt etwas mit Wertschätzung, bzw. echter Begegnung zwischen zwei Menschen zu tun hat. Auf Tinder und Co. wird die Unverbeindlichkeit, Oberflächlichkeit zur Kunstform erhoben. Für mich bestfalls ein ONS Portal. Es gab sogar Damen die mir offen gesagt haben….“wenn einer nervt, dann hole ich mir den nächsten.“ Der Supermarkt des schnellen SEX. Oder so was hier: „Ich will ein Kind, egal von wem!“ Oft traf ich Frauen mit ausgewachsener Beziehungsphobie. Frauen die regelrechte Panik bekommen wenn ich als Kerl andeute mir mehr vorstellen zu können. Angeblich wünschen sich alle Damen nichts sehnlicher als eine verlässliche Partnerschaft. Das dieser Schritt natürlich auch Mut zur Veränderung im eigenen Leben bedeutet, sich ändern wollen…. das trifft dann meistens doch nicht zu. Man hat das Singel Leben doch sehr lieb gewonnen. Ein Kindergarten für Erwachsene die verlent haben Menschen im echtem Leben anzusprehen. Eine Art kollektive Sozialphobie. Mein Eindruck ist das viele Tinder user verlernt haben sich selbst zu Lieben. Sich selbst, aber auch anderen gegenüber, sehr verurteilend sind. Selbstliebe wäre nämlich die Grundvoraussetzung um überhaupt ein erstes gutes Date zu erleben.

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